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Stadtgärtnerei Neumarkt
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Unmittelbar am Berliner Ring, angrenzend zur städtischen Kläranlage Neumarkt ist der Bauhof der Stadt Neumarkt beheimatet. Neben dem Verwaltungsgebäude, einer Fahrzeugunterstellhalle mit Werkstätten und einer Streuguthalle findet man auf dem Grundstück etwas abseits das Gewächshaus. Von den 125 Beschäftigten sind 55 im Bereich der Stadtgärtnerei angestellt, wobei sich 50 um den Außenbereich und fünf um das Gewächshaus kümmern.Zuständig ist die Stadtgärtnerei für ca. 99 % der Grünanlagen der Stadt, die über 400 Hektar ausmachen. Im Rahmen der Nachhaltigkeit gehören die Pflege und Unterhalt der Flächen und Baumpflanzungen dazu. Wenn man jetzt Bäume pflanze, so Ziegler, tue man etwas für seine Kinder und Enkelkinder. Ein Baum ist die einzige biologische Möglichkeit, die Temperaturen in der Innenstadt durch die Wasserverdunstung zu senken. Die Zierpflanzen werden selbst aufgezogen, Bäume und Sträucher werden bei Baumschulen gekauft.
Das Gewächshaus
Wärmeversorgung
Das Gewächshaus an sich ist sehr fortschrittlich und technisiert ausgestattet. Wie bereits erwähnt ist neben dem Gewächshaus die Kläranlage, dessen Wärme sie nutzen können. Die Klärbakterien erzeugen Wärme, die über eine unterirdische Leitung vom Faulturm zum Heizen der Gewächshäuser genutzt wird. Es wäre wünschenswert, dass allgemein solche regenerative Energien wie Abwärmeenergie weiteren Nutzen finden.
Neben der Aufzucht von Zierpflanzen und das Herstellen von Dekorationen (z. B. für das Standesamt) fällt auch die Pflege der Bäume in den Verantwortungsbereich der Stadtgärtnerei. Hier muss die Stadt als Eigentümer die Sicherheit gewährleisten. Sie kontrollieren den gesamten Baumbestand und erfassen jeden einzelnen Baum in einem Programm.
Flächennutzung
Derzeit ist das Gewächshaus sehr voll, wird aber effizient genutzt: In einem Bereich gab es elf bewegliche Tische, wo durch Verschieben jeder Tisch erreicht werden kann.Somit bleibt mehr Fläche für Pflanzen übrig und wird nicht für Wege verschwendet.
Bewässerung
Die Bewässerung der Pflanzen läuft wie folgt ab (das sog. „Ebbe-Flut-System“):
Vier große Tische bilden eine Gießgruppe und sechs Hängebretter bilden ebenso eine Gießgruppe. Je nach Wasserbedarf der Pflanzen wird via Computer die Laufzeit des Wassers eingestellt. Über Schläuche läuft das Wasser in den Tisch. Das Wasser wird für eine bestimmte Zeit auf eine bestimmte Höhe (die am Tisch abgelesen werden kann) aufgestaut. Danach folgt die nächste Gießgruppe, die Vorherige läuft währenddessen leer und zurück ins Becken. Bei jedem Anstau werden 0,75 % Düngerlösung mit beigemischt. Es besteht ein geschlossenes Wassersystem, was bedeutet, dass überflüssiges Wasser wieder verwendet wird und keine Nährlösungen oder Düngerausschwemmungen in die Natur gehen. Durch das geschlossene Wasserkreislaufsystem sei der Verbrauch allgemein sehr gering.
Wasserzufuhr
Wir fragten Herrn Ziegler auch nach der Wasserzufuhr an sich. Die ersten beiden Jahre (2006-2008) hat man Brunnenwasser von der Kläranlage verwendet. Da es aber zu eisen- und manganhaltig war, gingen die Magnetventile kaputt. Daher muss man nun auf Trinkwasser setzen. Auch Regenwasser könne nicht in entsprechenden Mengen gesammelt werden.Das Wasser, das in der Stadt zum Gießen verwendet wird, wird aus dem Nachklärbecken der Kläranlage bezogen. Von dort fließt es mit einer biologischen Reinheit von 99.8% normalerweise in die Schwarzach. Dieses Wasser darf aufgrund einer Hygieneverordnung nicht als Sprühnebel verwendet werden. Beim Versprühen ganz feiner Partikel in Tropfenform müsste das Wasser zuvor sterilisiert werden, da die 0,2 % biologische Verunreinigung in bestimmter Tropfengröße lungengängig wären. Damit die Keime nicht eingeatmet werden, müsste in diesem Falle also eine Entkeimung erfolgen. Beeindruckend fanden wir die Wassermenge, die im letzten heißen Sommer an manchen Tagen benötigt wurde: Bis zu 180.000 Liter am Tag.
Temperatur und Luftzufuhr
In einem Bereich des Gewächshauses liegt die Temperatur bei 10-12°C und in einem Anderen bei 14-16°C. Zur Temperatur und Luftregelung hat das Gewächshaus am Dach und seitlich Vorrichtungen wie ein „Zelt“, die jede Nacht zu- und tagsüber aufgehen. Beim Zuziehen wird das heizbare Volumen verkleinert, bei der Nutzung tagsüber wird die Luxzahl der Sonne am Dach gemessen und die Vorrichtungen passen sich an, um vor Hitze oder Kälte zu schützen.
Technikraum
Vom Technikraum aus werden sämtliche Systeme wie Lüften, Schattierung und Heizung gesteuert. Auch auf Wind reagiert das Gewächshaus – je nach Stärke werden Systeme automatisch abgeschaltet oder Fenster geöffnet.
Verwendete Erde
Verwendete Erde ist meist Torf – laut Herrn Gernot Meier hat dieser einen schlechteren Ruf als er tatsächlich ist. Die Stadtgärtnerei hat aber auch eine eigene Kompostieranlage, die 25-40.000 Kubikmeter Grüngut pro Jahr verarbeitet. Die Komposterde wird zum Bakterientöten in einem Sterilo aufgeheizt. Nach dem Erhitzen auf ca. 100 ° C für mehrere Stunden ist die Erde wieder verwendbar.
Erneuerbare Energie
Am Gewächshaus selbst konnte keine Photovoltaik-Anlage angebracht werden, da ein Umbau zu kostenintensiv gewesenwäre. Auf den Hallen des Bauhofs befinden sich aber PVs, die mehr als 1,1 MW erzeugen. Es wird überlegt, ob es sich lohnt, einen Akku anzuschaffen, denn tagsüber braucht die Gärtnerei kaum Strom, nachts muss sie ihn teuer kaufen. In der Stadtgärtnerei werden auch viele Elektrowerkzeuge eingesetzt.
Zuletzt kommen wir noch auf die Lichttechnik zu sprechen. In der Stadtgärtnerei werden LEDs eingesetzt - laut Herrn Ziegler ammonisieren sich diese nach 1,5 Jahren im Energieverbrauch. Berechnungen seien manchmal schwierig, so Herr Meier, da man dabei selten die Entsorgung und auch Entwicklung des Energieträgers mit einbezieht. Würde man das tun, so wäre Atomstrom weit nicht mehr der billigste.
Nutzpflanzen und Bildungsprojekte
Nutzpflanzen werden in der Gärtnerei nur für den Eigenbedarf angepflanzt und für sieben Kindergärten, denen Gemüsepflanzen geliefert wird. Die Stadtgärtnerei fragte bei Kindergärten an, ob Interesse an sog. „Multikisten“ (40 versch. Pflanzen) bestehe und so bekommt der Kindergarten jetzt Naschgemüse für Blumentöpfe und Hochbeete. Es sei wichtig, dass schon die Kleinsten alles über die Natur lernen und als Multiplikatoren agieren. Es sei traurig, wenn die Kinder keinen Unterschied mehr zwischen einer Eiche oder Tanne kennen. Doch glücklicherweise gibt es jetzt spezielle Wald- und Umweltkindergärten, die dies wichtige Wissen vermitteln wollen. Wenn die Kinder mit Vorwissen in die Grundschule kommen, haben sie Anderen einiges voraus.
Für Schulen bestehen ebenso Bildungsprogramme: Die Baumpflanzaktion (LINK Blog) von zwei Schulklassen erfolgt in Zusammenarbeit mit der Stadtgärtnerei – es wurden an diesem Tag 50 Obstbäume gepflanzt. Zweimal hat die Gärtnerei schon an der„Plant for the planet“-Aktion (http://www.plant-for-the-planet.org/de/startseite) teilgenommen.
Wissenswertes für die Zukunft
Urban Gardening
Herr Ziegler erzählte uns begeistert vom Urban Gardening – einem Trend, der in New York entstand und sich immer mehr ausbreitet – auch bei uns. Da es nicht direkt mit der Stadtgärtnerei zu tun hat, wir aber dennoch auf diese Entwicklung hinweisen wollen, an dieser Stelle nur ein kurzer Link: (https://reset.org/knowledge/urban-gardening-eine-andere-welt-ist-pflanzbar).
Er erzählt beeindruckt von einem ehemaligen Highway in den US in 15 Metern Höhe, die mittlerweile wunderschön bepflanzt ist und bei Touristen beliebt für Spaziergänge ist. In Südamerika gibt es viele gemeinsame kleine Gärten, in denen die Anwohner sich Essen anbauen. Auch in Deutschland gibt es diesen Trend – von Paletten-bepflanzten „Kleingärten“ in der Stadt bis hin zu Stadtgärten in manchen deutschen Städten wie München oder Nürnberg (http://www.stadtgarten-nuernberg.de/tag/urban-gardening/). Ein Verbraucher kann eine Parzelle zwischen 30 und 120 Quadratmeter, die von der Stadt pflanzfertig gemacht wurde, kaufen und Eigenes anbauen. Das Interesse an Snack- und Naschgemüse kommt immer mehr.
Projekt 2021 – standortgerechte Pflanzen
Außerdem sprach Herr Ziegler noch das Projekt 2021 an: Der Mensch wisse, dass eine Klimaänderung kommt. Die Hochschule für Garten-und Weinbau in Veitshöchheim initiierte daher die Einrichtung von vier Regionen Bayerns ein, auf denen Bäume erforscht und untersucht werden. Daraus soll eine Vorschlagsliste entstehen, welche Bäume in einer Stadt angemessen sind, wenn sich das Klima erwärmen wird. Vor 40 Jahren sagte man, man solle nur noch einheimische Pflanzen pflanzen. Früher wurden daher in städtischen Gebieten oft heimische Bäume gepflanzt. Die Linde ist zwar heimisch, in den Innenstädten aber nicht standortgerecht – das Pflaster heizt sich auf und gibt eine heiße Strahlung ab. Im Sommer schwarz wegen Spinnmilben, Rußtau oder Schwärzepilzen. Pflanzen aus dem mediterranen Bereich wären angemessen. In den 90er Jahren trat dann die Forderung nach standortgerechten Pflanzen an die Stelle der Nachfrage nach heimischen Pflanzen.
Bei den schon erwähnten Versuchen an vier verschiedenen Versuchsfeldern z.B. in Hof (Frostloch), Würzburg oder am Bodensee wird derzeit unter anderem mit „Ostrya“, einer Hopfenbuche, experimentiert. Normal kommt diese nur in Weinbauklimaten vor und bisher nicht in Mittelfranken oder der Oberpfalz. Es wird versucht, Ostrya so zu selektieren, dass sie frosthärter werden und bei möglichen Temperaturveränderungen auch in der Stadt tragbar wären. Herr Ziegler findet es gut, dass man sich Gedanken über die Zukunft macht und Überlegungen dazu anstellt.
Klimatisierung einer Stadt
Herr Ziegler verwies auf das Klimagutachten der Stadt und erklärte uns, dass die Stadt wie eine Steinwüste sei und sich stark aufheize. Es entsteht eine starke Thermik und daraus wiederum ein Unterdruck. Zum Nachweichen frischer Luft müsse es Frischluftschneisen beim Städtebau geben. Es bestünden auch noch viele Altlasten (die zu der Zeit natürlich ihren Sinn hatten), die man derzeit versucht wieder rückgängig zu machen: z.B. die Flurbereinigung. Einst sollten Bauern Flächen zur Begradigung von Grundstücken oder Fließgewässern abgeben. Jetzt sollen sie Stücke abgeben, damit die Gewässer wieder in ihre Ursprungsform gebracht werden können.
Zum Schluss möchten wir darauf hinweisen, dass die Stadtgärtnerei neben Verschönerungsarbeiten auch einen wichtigen Beitrag zu unserem Klima und Luftaustausch beiträgt. Herr Ziegler möchte klar stellen, dass man sich im Klaren darüber sein müsse, dass die Natur den Menschen nicht brauche und dass Bäume die einzige Möglichkeit sind, die Temperaturen in der Innenstadt lang, nachhaltig und effizient abzukühlen. Er persönlich wünscht sich mehr Verständnis der Leute für das Stadtgrün.
Categories: Unternehmen
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